Goblins – Life Through Their Eyes

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Mathe für Rollenspieler: Spielercharaktere = gut, Monster = böse, böse + Schwert = Erfahrungspunkte. Doch wie fühlen sich eigentlich die vielen Random-Encounter, denen man innerhalb einer Kampagne begegnet?

Seien wir mal ehrlich: Abenteurer sind nicht die strahlenden Helden, für die sie sich häufig halten (wenn sie nicht von vornherein eine böse Gesinnung vertreten), sondern ziemlich vorurteilsbeladen: Viele Monster werden als böse klassifiziert. Zu diesem Schluss kam auch der Kanadier Tarol Hunt (kurz: Thunt), als er 2001 begann, den Comic Goblins zu zeichnen.

Er gab uns eine Story, in der die Grenzen zwischen gut und böse weniger klar definiert sind, als in handelsüblichen Regelbüchern und erzählt sie uns aus der Sicht der Opfer vieler frühen Abeteurerkarrieren: einem Goblinclan.

Der Comic

Thematisch bewegt der Comic sich relativ flexibel zwischen Gags, Drama und Action. Spielmechaniken werden auf die Schippe genommen, Charaktere machen ihre eigene – nicht immer angenehme – Entwicklung durch, epische Kämpfe finden statt.

Das Setting für den Comic ist an eine klassische Dungeons & Dragons-Kampagne angelehnt und manche Gags nehmen diverse Spielmechaniken auf die Schippe, allerdings musste Thunt im Laufe der Jahre die Bezeichnungen für eine Gottheit und eine Rasse aus rechtlichen Gründen ändern, so dass sie in früheren Strips noch deckungsgleich mit D&D waren, inzwischen jedoch generischer gehalten werden.

Wer das Archiv durchforstet, wird feststellen, dass der Zeichenstil sich stark verändert hat, seit der Comic im Juni 2005 online ging: wirkte das Design eingangs noch simpel – beinahe skizzenhaft und war in schwarz-weiß gehalten, so sind die Seiten heute voller Details und ansehnlicher Schattierungen. Die wohl größten Sprünge hierbei waren im August 2005, als Goblins Farbe bekam, und im Januar 2017, als Cheyenne Wright – unter anderem bekannt für seine Colorationen für Girl Genius – nach einer Ausschreibung den Zuschlag als Goblins’ neuer Colorist bekam.

Goblin Thaco im Vergleich: 2005, 2008, 2016 & 2017.

Die Protagonisten mögen teilweise knuddelig aussehen, dennoch ist Goblins keine Lektüre für Kinder: zwischen Rollenspielklischees und Gags werden die Leser mit Themen wie Traumata, Folter, Tod und Missbrauch konfrontiert. Zudem bringt Thunt mehrfach moralische Fragen wie die Definition von gut und böse ein, betrachtet den Wert von und Bruch mit Traditionen, lässt seine Charaktere feststellen, wie leicht man (ungewollt) rassistisch denken kann, das Konzept Schicksal wird in Frage gestellt und Charaktere wie der simpel gestrickte Minmax finden Wege, sich ihre Grundsätze zu erhalten und dennoch über den Tellerrand dessen, was sie als richtig erachten hinauszublicken.

Durch die lange Laufzeit unterscheiden die Charaktere sich inzwischen sehr von ihrem ersten Auftritt. Abgesehen davon, dass sie unterschiedliche Grade an persönlicher Entwicklung durchgemacht haben, so hat Thunt auch die Angewohnheit, keinen Kampf ohne Spuren enden zu lassen: Outfits werden beschädigt oder verändert, Wunden hinterlassen Narben. Auch wenn für die Charaktere weniger Zeit verging, als für die Leser, so ging sie doch nicht spurlos an ihnen vorbei.

Und auch wenn der Cast mit der Zeit um neue Fanlieblinge erweitert wurde, so ist der Zuwachs nicht unumkehrbar: Gruppen werden getrennt und niemand wirklich ist unsterblich. Mehr als einmal mussten Leser bereits einen ihrer Lieblinge betrauern und um das Leben der anderen bangen.

Die Story

Goblins folgt mehreren parallelen Handlungssträngen, was stets ein zweischneidiges Schwert ist: Einerseits erlaubt es Thunt, mehrere ineinander verwobene Geschichten zeitgleich zu erzählen, andererseits müssen die Leser sich teils sehr gedulden, um zu sehen, wie es mit ihren Favoriten weiter geht.

Eine Gruppe von Abenteurern um den menschlichen Fighter Minmax und den Zwergen-Kleriker Forgath attackiert ein Goblin Warcamp, wobei nur Minmax, Forgath und eine Handvoll Goblins die Schlacht überleben. Während die Abenteurer alte Schriften missinterpretieren und losziehen, um die Goblins zu stoppen, beschließen diese schließlich selbst eine Abenteurergruppe zu bilden (die Goblin Adventuring Party; kurz: GAP), im Level zu steigen und somit ihren Clan besser schützen zu können, während ein von der Gruppe getrennter Goblin mit dem unheilvollen Namen Dies-Horribly als Sklave eines anderen Clans endet.

Darüber hinaus besteht eine konstante Bedrohung für alle Monster – oder jene, die zeitweise mit ihnen in Kontakt kamen – durch den verfluchten Paladin Kore, der seiner eigenen Quest zur kompletten Auslöschung alles Bösen folgt, sowie eine Bedrohung für die gesamte Welt durch einen verbannten Dämonen, der versucht zurückzukehren und die Welt in eine neue Ebene der Hölle zu verwandeln.

Seitenränder als Meta-Indikator für den Stand der Hölle.

Jenseits Von Life Through Their Eyes

Neben dem Comic hat Thunt im Laufe der Jahre eine Reihe an Nebenprojekten ins Leben gerufen:

Temps Fate: eine Reihe kurzer Comics, die dem Abenteurer und Adrenalin-Junkie Tempts Fate folgen, welcher sich mit verschiedenen Aufgaben und Fallen konfrontiert sieht. Thunt nutzte diese Nebenstories, um den Goblins in den frühen Jahren zu finanzieren: Wenn ein Spendenziel zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich war, so war auch Tempts Fate erfolgreich. Später hing der Erfolg nicht allein von Spendenzielen, sondern teilweise auch von Rätseln ab. Tempts Fate wurde zuletzt 2011 gesehen, als er in die Hölle aufbrach, um magische Charakterbögen zu zerstören.

Goblins: Alternate Realities: Nachdem Minmax, Forgath und Kin 2011 einen längeren Dungeoncrawl namens Maze Of The Many begannen, wurde ein Multiversum in den Comic eingebracht. Goblins: Alternate Realities folgt dem gleichen Grundgedanken: Ein Kartenspiel, in dem die Charaktere des Comics Abenteuer erleben, die sich nicht im Comic abspielen. G:AR ist seit 2013 Thunts Sorgenkind: Die anfängliche Euphorie erlosch sowohl beim Erfinder als auch bei den Fans, als Thunts Geschäftspartner von Evertide Games sich mit 177.000 $ an Kickstarter-Einnahmen aus dem Staub machte. Entschlossen, die über 2.000 Backer nicht im Stich zu lassen, setzte Thunt seine Arbeit fort und arbeitete seitdem verstärkt daran G:AR allen Fährnissen zum Trotz Realität werden zu lassen. Laut Thunt ist die Arbeit an den Karten inzwischen vollendet und er arbeitet fieberhaft daran, die letzten Probleme im Gameplay auszubügeln, um das Projekt zu vollenden und seinen Fans das versprochene Spiel zu liefern.

Goblins Animated: Seit Jahren gab es immer wieder Gedankenspiele zwischen Goblinites und Thunt, welche Hollywood-Darsteller seine Charaktere synchronisieren sollten. Irgendwann begann der Zeichner darüber zu sinnieren, welche Serienstimmen zu seinen Charakteren passen würden, erwähnte bei passenden Gelegenheiten seine Begeisterung für gewisse Synchronsprecher und sprach irgendwann von einem “hypothetischen Projekt, über das er nicht reden dürfte, wenn es real wäre”. Die Fanbase schöpfte Verdacht, Thunt bestätigte oder bestritt jedoch nichts eindeutig, bis er Ende August endlich eine offizielle Ankündigung machen durfte: Goblins Animated befindet sich in der Produktion. Zwar darf Thunt immer noch nicht soviel erzählen, wie er gern würde, aber inzwischen wissen wir zumindest, dass unter anderem Matt King und Phil LaMarr involviert sind.

Das Goblins Animated Logo.

Livestreams: Thunt liebt den Kontakt zu seinen Fans. Seit Jahren streamt er seine Arbeit live auf verschiedenen Plattformen, aktuell auf Twitch. Während seiner Streams ist er stets offen für Fragen der Fans im Chat, vermeidet jedoch Spoiler. Zudem hat er zur allgemeinen Unterhaltung einige Chatbot-Spiele am Laufen, versucht sporadisch immer mal wieder verschiedene Spiele gemeinsam mit der Community zu gestalten, die sich jedoch häufig als zu zeitaufwendig erweisen, sinniert über allerlei Dinge mit wechselndem Bezug zum Comic, darüberhinaus gibt es gelegentliche Verlosungen von Merchandise; oftmals sorgen seine Frau Danielle oder Familienhund Ember im Hintergrund für zusätzliche Unterhaltung. Livestreams werden stets auf Twitter angekündigt.

Goblins – Live Through Their Eyes ist online verfügbar.

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Über den Autoren/Über die Autorin

Erziehungs-Person, Comic-Geek, Spielkind,Serien-Junkie und Cartoon-Enthusiast aus Hamburg. In meiner Freizeit betreibe ich an professionell grenzendes professionelles Binge-watching, überanalysiere oder stopfe meinen Kopf mit fiktiven Charakterbiografien voll.

2 Kommentare bei "Goblins – Life Through Their Eyes"

  1. Eine Zeichentrick-Serie? Wie geil ist das denn? Ich habe damals die Abenteuer der Goblins eher per Zufall entdeckt und mich vom Fleck weg in die schrägen Charaktere und die spannenden Storys verliebt. Irgendwann hab ich die kleinen Recken dann aber aus den Augen verloren. Um so mehr freue ich mich natürlich, dass es sie (teilweise) noch gibt und sie munter weiter Abenteuer erleben.

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